Europapolitik

Es ist Zeit für eine Stärkung der politischen Integration in Europa!

Es ist viel über den Brexit geschrieben und gesagt worden. Einige Stimmen gehen sogar davon aus, dass der Brexit ein Zeichen dafür ist, dass die europäische Integration ausgebremst oder sogar zeitweilig gescheitert ist. Dies ist im Grunde eine unvollständige Darstellung, weil nicht die europäische als Ganzes, sondern – paradoxerweise – die wirtschaftliche Integration in Europa ausgebremst wurde. Die politische Integration wurde schon vor ein paar Jahren vernachlässigt. Aber genau dies ist gerade der Kern des Problems.

Die EU hat sich lange Zeit sehr stark auf die wirtschaftliche Integration konzentriert. Keine Frage, dass dies auch von Bedeutung ist, doch um eine erfolgreiche ökonomische Integration zu fördern, braucht es zunächst, oder zumindest im Gleichklang, eine gesellschaftspolitische Integration. Mit anderen Worten, sind gestärkte politische Rahmenbedingungen von Nöten, um ein erfolgreiches wirtschaften, welches die Menschen im Blick hat, möglich zu machen.

Dabei sind starke politische Rahmenbedingungen weder mit einer Zunahme der Bürokratie noch mit einem ansteigenden Zentralismus gleich zu setzen, sondern mit einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen der Politik und den Menschen im Beteiligungsprozess. Genau diese Verbesserung des Verhältnisses hat in der Geschichte zu vielen Fortschritten in der gesellschaftpolitischen Entwicklung in Europa geführt und somit auch zu einer Ausweitung der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Um es klar zu stellen, die Logik der Ökonomie trägt von sich aus kaum humane und nachhaltige Züge in sich. Deshalb braucht es die Politik, die die Prinzipien und Werte für die Allgemeinheit hoch hält (hoch halten sollte).

In diesem Sinne ist das Verhältnis zwischen den europäischen Bürgern und der EU in eine schiefe Lage geraten. Die EU hat die Menschen zunehmend aus dem Blickfeld verloren. Sie peitscht im Eiltempo wirtschaftliche Kooperationen voran, die jedes Mass an Vernunft verloren haben. Anstatt sich auf die Stärkung der demokratischen Züge in Europa zu konzentrieren und dabei solche Werte zu festigen und fortzuführen (es reicht nicht nur darüber zu reden), setzt die EU auf den Status quo (Lissabon Vertrag) und rennt um die Welt und verhandelt auf politische Kosten der europäischen Bürger mit (halb-) autokratischen Regimen oder über undemokratische Schiedsgerichte hinter verschlossenen Türen, um überhitzt einen Wachstum zu propagieren. Zeitgleich haben, zum Beispiel, junge Menschen keine Perspektiven in vielen Teilen Europas und verzweifeln an der Arbeitssuche.

Was also bringt das Anpreisen von gewissen Wachstumsraten, wenn dies im europäischen Kontext, bei den normalen Bürgern nicht anklingt? Es bringt langfristig nichts! Wirtschaftlicher Wachstum und nachhaltige Entwicklungen bringen nur etwas, wenn es im Sinne der europäischen Bürger ist und nicht im Sinne eines ökonomischen Wachstums an sich.

Es braucht deshalb Verbesserungen der politischen und demokratischen Strukturen im europäischen Zusammenhang. Die EU muss sich nun ran halten und den nächsten Schritt wagen, damit sie aus dem Lissabon Vertrag herauswächst, um eine neue Grundlage zu schaffen. Wichtig dabei ist auch, dass die Weiterführung der gesellschaftspolitischen Integration nicht als Anstieg der Bürokratie verstanden wird, sondern als Stärkung der europäischen Gesellschaft. In diesem Sinne muss die EU die Nähe der Bürger suchen und sie als Grund ihrer Existenz sehen und nicht als Mittel. Anders gesagt, wenn die EU Strukturen in den Beteiligungsprozessen schaffen kann, die das Verhältnis zu den europäischen Bürger verbessert, dann kreiert sie eine neue Legitimationsbasis, die in den nächsten Level der gesellschaftlichen Integration in Europa und damit auch der ökonomischen Entwicklung führen wird.

Schlussendlich, und nicht zu vergessen, würde solch eine Situation auch der Schweiz zu Gute kommen, weil sie immer von der europäischen Integration, nicht nur wirtschaftlich sondern auch gesellschaftlich, profitierte und das trotz der EU-Abstinenz.

Bildquelle: Bundesamt für Bildung und Forschung (Deutschland)

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